Wissenswertes

Eindrücke aus der Essbaren Stadt: unsere Kurzvideos

Eindrücke aus der Essbaren Stadt: unsere Kurzvideos

Wie sieht sie aus, die Essbare Stadt in Köln? Um Euch einen kleinen Überblick über die Vielfalt der Initiativen aus der Essbaren Stadt in Köln zu zeigen, haben wir in diesem Sommer drei kurze Videos über verschiedene Gärten gedreht.

Im ersten Video erläutern uns Filiz und Philipp alles rund um den Grünen Leo, den Gemeinschaftsgarten im Leo-Amman-Park in Ehrenfeld. Seit 2019 gestaltet eine kleine Gruppe von Gartenfreund:innen aus dem Umfeld einen Teil des Parks essbar, ökologisch und nachhaltig! Für die Stadt Köln war es das erste Mal, das eine öffentliche Parkfläche Gemeinschaftsgärtnern zur Nutzung angeboten wurde.

Das zweite Video stellt die Idee des essbaren Waldgartens in den Mittelpunkt. Sylvia vom Bürgerverein Neubrück erklärt, was es damit auf sich hat. Mit zahlreichen Anwohner:innen gestaltet der Bürgerverein das öffentliche Grün in seinem Stadtteil. Dazu übernehmen sie Beetpatenschaften für verschiedene Flächen, von der kleinen Baumscheibe bis zu größeren Beeten. Auf einer Fläche ensteht aktuell ein kleiner Waldgarten – mit verschiedenen Obst- und Nussbäumen, Beerensträuchern, Kräutern und Walderdbeeren.

Und im dritten Video zeigt uns Sabine den Firmengarten von VW OLTG GmbH auf dem Betriebsgelände in Köln-Poll. Gemeinschaftlich wurde der Garten von den Mitarbeiter:innen angelegt. Aber auch eine Kita-Gruppe aus der Umgebung besucht ihn nun wöchentlich zum Gärtnern, Riechen und Schmecken.

Die Videos sind im Rahmen des Projekts “Essbares Wohnumfeld” gedreht worden uns sind daher gefördert von der Stiftung für Umwelt und Entwicklung NRW.

Schaut es Euch an!

Köln wird essbar – Machst Du mit?

Kamera, Ton, Schnitt: Lea Hilgers
M
usik:
https://www.bensound.com/

 

Inspiration für die Essbare Stadt in Köln-Zollstock

Inspiration für die Essbare Stadt in Köln-Zollstock

In ihrer Masterarbeit erstellt die Stadtplanerin Charlotte Mäurer einen Entwurf für die agri-urbane Siedlungsentwicklung am Gottesweg in Köln-Zollstock. Dabei untersucht sie die Potentiale die lokale Nahrungsmittelproduktion und die Schaffung von Wohnraum zu kombinieren.

Das präsentierte Projekt mit dem Titel: „Agri-Urbane Siedlungsentwicklung – ein städtebaulicher Entwurf für das Gottesweg-Areal in Köln Zollstock“ gibt eine Antwort auf die Frage, wie unsere Zukunftsstädte nachhaltig gestaltet werden können, um die Themen Ernährung und Agrarpolitik wieder lokal zu steuern.  Mäurer untersucht in der Arbeit das Zusammenwirken von Ernährungsräten, lokaler Ernährungsstrategien und der städtischen Ebene und bietet eine städtebauliche Perspektive, die Leitziele der „Ernährungsstrategie für Köln und Umgebung“ sowie des Aktionsplans „Essbare Stadt“ in Kombination mit der Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum in Köln zu vereinen und darüber zu einem gesellschaftlichen Umdenken anzuregen. Daher hatte sie mit uns vond er Essbaren Stadt ein Expert:innen-.Interview u.a. zur Ernährungsstrategie und Aktionsplan geführt.

Die (mögliche) Entwicklung des Quartiers am Gottesweg erfolgte von der Entwicklung eines Leitbildes über verschiedene Strukturpläne bis hin zu einem Gestaltungsplan und Beispielperspektiven, welche die unterschiedlichen agri-urbanen Entwicklungsstrategien veranschaulichen. Die im Quartier demonstrierten Entwicklungsstrategien decken in der Ernährungsstrategie sowie im Aktionsplan formulierte Zielsetzungen wie die Schaffung essbaren öffentlichen Grüns, eines Bildungs- bzw. Lerngartens, urbaner Gemeinschaftsgärten, Firmengärten und die Förderung kleinteiliger landwirtschaftlicher Strukturen durch das Prinzip der partizipativen Landwirtschaft ab. Überdies sieht das Konzept des Quartiers als eine Art Experimentierfeld, neue Potenziale in der Entwicklung innovativer Formen gebäudeintegrierter Landwirtschaft und Start-ups aus dem Arbeitsfeld vor. Die Umsetzung der Entwicklungsstrategien zeigt neben der Realisierbarkeit der Produktion von nachhaltigen biologisch wertvollen Lebensmitteln die verschiedenen Formen urbaner Agrikultur auf kleinster Fläche auf.

Die Arbeit soll als Inspiration für zukünftige agri-urbane Planungen dienen und die Vision einer lokalen Ernährungswende befördern. Der konzipierte Entwurf beruht auf keinem Planungsanlass und hat demnach keine rechtliche Relevanz.

 Hier könnt Ihr eine Kurzzusammenfassung der Arbeit lesen und anschauen.

 Abbildung: Charlotte Mäurer, Nutzung ohne Genehmigung nicht gestattet.

Regen ernten

Regen ernten

Wollt Ihr in Eurer Garteninitiative wertvollen Regen ernten?

Wir zeigen Euch wie: Im Rahmen des CityLeaks Urban Art Festival 2021 kamen wir in einem Team aus Vertreter:innen des Festivals, der Essbaren Stadt, der Verwaltung und der Städtischen Entwässerungsbehörde und einem Zimmermann zusammen, um Lösungsansätze für die Wassernutzung in der Stadt zu entwickeln und ein Modell zur Regenernte praktisch umzusetzen.
Die Ergebnisse und Dokumentation haben wir in einem umfangreichen Reader zusammengefasst. Diesen könnt Ihr hier downloaden.

Urbane Initiativen, private Gärten, öffentliche Grünflächen, Stadtbäume: sie alle brauchen Wasser und müssen gegossen werden – und das vorzugsweise nicht mit Trinkwasser, um diese Ressource zu schonen. Auf der anderen Seite gibt es stadtweit wenig Versickerungsfläche, die bei Starkregenereignissen das natürliche Abfließen (und Speichern) von Wasser durch den Boden zulässt. Das Regenwasser wird meist auf schnellstem Weg in die Kanalisation geleitet, wo es mit dem Abwasser zusammen zu Mischwasser wird. Dadurch gehen viele Liter dieser Ressource verloren – Wasser, mit dem wir unsere Stadt begrünen und unsere Pflanzen wachsen lassen könnten! Die Devise lautet also: so viel Wasser wie möglich sammeln, speichern und dann für gärtnerische Zwecke verwenden.

Im nächsten Schritt haben wir ein Modell gebaut, das leicht von Menschen und Initiativen ohne bauliche Vorerfahrung standortangepasst nachgeahmt werden kann. Die Entscheidung fiel auf ein „Schmetterlingsdach“, welches durch die Neigung über das Wellblech das Regenwasser in die mittig platzierte Regenrinne laufen lässt, von wo aus es weiter in einen Container fließt. Gemeinsam haben wir das Modell innerhalb eines Tages gebaut und das fast ausschließlich aus recyceltem Material! Das Regenerntesystem haben wir nach der Abschlusspräsentation des Festivals wieder abgebaut und es hat jetzt im “Garten am Mer” eine neue Heimat gefunden.

Für den Bücherschrank in Firma und Verwaltung: Handbuch „Öffentliche und gewerbliche Grünflächen naturnah“

Für den Bücherschrank in Firma und Verwaltung: Handbuch „Öffentliche und gewerbliche Grünflächen naturnah“

In einer Essbaren Stadt sollte es keine tristen, öffentliche oder private Flächen geben. Die Realität stellt sich bekanntlich noch anders dar. Das vor Kurzem im pala Verlag erschienene Buch „Öffentliche und gewerbliche Grünflächen naturnah“ möchte Menschen für die nachhaltige Umsetzung von biodiversitätsfördernden Maßnahmen auf öffentlichen Grünflächen und Firmengeländen begeistern.

Mehr Grün auf einfach gestalteten Grünflächen oder versiegelten Flächen stellt nicht nur Essbares für Tier und auch Mensch bereit, sondern bereichert selbstverständlich die biologische Vielfalt. Außerdem verbessert es das Mikroklima und speichert Regenwasser sowie verlangsamt den Wasserabfluss. Und ein guter Punkt: Mehr biologische Vielfalt bedeutet meistens weniger Arbeit! Wenn man weiß wie! Aber dafür gibt es ja dieses Buch.

Aus unserer Sicht ist das Buch „Öffentliche und gewerbliche Grünflächen naturnah“ von Ulrike Aufderheide nicht nur für diejenigen geeignet, die sich sowieso schon mit dem Thema auseinandersetzen, sondern bietet sich für viele andere Zielgruppen an. Die Lesenden finden in diesem Handbuch Informationen über Blühflächen, Blumenwiesen, Sickermulden oder Fassadenbegrünungen und Trockenmauern, Lebensraumholz und weitere naturnahe Elemente. Anschaulich und praxisnah wird für alle wichtigen öffentlichen und gewerblichen Flächen die Bodenvorbereitung, Anlage und Pflege beschrieben. Natürlich sollten sich dem Thema Grünflächengestaltung völlig fremde Menschen noch den Rat und vor allen Dingen die Umsetzung durch eine Fachfirma einholen. Aber das Handbuch gibt hier schon eine gute Orientierung, worauf man hierbei achten sollte und warum vor allen Dingen eine biodiversitätsreiche Gestaltung der Außenanlagen wichtig ist. Die Umsetzung ist dann auch in den meisten Fällen nicht das große Hexenwerk. Wichtig ist, dass man erst einmal (klein) anfängt.

Die Autorin beschreibt für alle wichtigen Flächentypen die passende Bodenvorbereitung, attraktive Bepflanzung und biodiversitätsfördernde Pflege. Listen heimischer Wildpflanzen, passend zu den Standorten, und Textbeispiele als Hilfestellung für die Formulierung von Leistungsverzeichnissen (für die Fachfirmen!) unterstützen bei der praktischen Umsetzung vor Ort. Das Buch gibt den Leser:innen Tipps an die Hand wie die Wünsche der Nutzer:innen einbezogen werden können, zum Beispiel durch partizipative Verfahren im Gestaltungsprozess.

Das Buch eignet sich vortrefflich als Nachschlagwerk. In dem Zusammenhang sind die vielen, themenbezogenen Pflanzlisten, z.B. für Fassadenbegrünung, Feuchtbiotope und vor allen Dingen zur Essbaren Stadt zu nennen. Sehr erfreut sind wir darüber, dass es sogar ein eigenes (kleines) Kapitel zur Essbaren Stadt in diesem Buch gibt.

Wir möchten es nicht nur allen Privatpersonen empfehlen, die sich dafür stark machen und daran mitwirken, dass öffentliche Grünflächen naturnäher und essbar werden. Das Buch sollte auch bei jedem Arbeitgeber mit ein bisschen Außenfläche und in den öffentlichen Verwaltungen (Hallo, Stadt Köln) zu finden sein.

 

Ulrike Aufderheide
Öffentliche und gewerbliche Grünflächen naturnah. Praxishandbuch für die Anlage und Pflege
Herausgegeben von Heinz Sielmann Stiftung,NaturGarten e. V., Naturpark Our, Umweltzentrum Hannover e. V.
pala-verlag, Darmstadt, 2022
208 Seiten, Hardcover, 30,00 €
ISBN: 978-3-89566-420-5

 

 

 

 

Buchrezension “Rein ins Grüne – Raus in die Stadt” von Renate Künast und Victoria Wegner

Der städtischen Natur auf der Spur

„Eine Reise durch urbane Gärten“ empfehlen die beiden Autorinnen Renate Künast und Victoria Wegner in ihrem im März 2019 erschienenen Buch „Rein ins Grüne – Raus in die Stadt“. „Für uns sind diese Gärten auf besondere Weise Gesamtkunstwerke… Sie entwerfen ein Bild von lebenswerten Städten der Zukunft und unserer Nahrung, die wir getrost ‘Mittel zum Leben’ nennen können“, schreibt Künast im Vorwort. 22 solcher Areale werden im Detail vorgestellt und zwei davon sind die Essbaren Städte Andernach und Kassel. Die Politikerin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) und die Gartenredakteurin Victoria Wegner besuchten vorwiegend Gärten in der Bundesrepublik, schauten aber auch über die Landesgrenzen hinaus nach Österreich und in die Schweiz.

 

Der Schwerpunkt liegt auf Berliner Gärten, die Künast als Abgeordnete des Deutschen Bundestags wohl am besten kennt. Im Stadtteil Wedding gelegen ist himmelbeet, wo Ur-Berliner, Menschen mit Migrationshintergrund und Behinderte gärtnern. – Der Prinzessinnengarten in Kreuzberg gehört zu den größten Urban-Gardening-Projekten in Deutschland, neben der städtischen Landwirtschaft bietet er auch: Bienen, Café und Küche, Märkte, Werkstätten, Workshops und Seminare. – Hoch über den Dächern von Neu-Kölln thront der Kulturdachgarten „Klunkerkranich“. Außer dem Gärtnern gibt es Angebote für Frühstück und Mittagessen, am späten Nachmittag werden in der warmen Jahreszeit diverse Kulturveranstaltungen geboten und bei gutem Wetter kann man den Sonnenuntergang von oben bewundern. – Der Gemeinschaftsgarten Allmende-Kontor am Tempelhofer Feld, wo sich früher der berühmte Flughafen befand, gilt als der „Central Park“ von Berlin. Eine Besonderheit sind die Landschaftspfleger auf vier Beinen: eine Herde von Schwarzkopfschafen, die im Herbst den Rasen abgrasen. – Die ECF Farm wird in einer ehemaligen Malzfabrik in Schöneberg betrieben und arbeitet nachhaltig und innovativ. In 20 Becken werden Buntbarsche in einer optimierten Aquakultur gezüchtet, die die Ressource bilden für Pflanzenanbau ohne Erde, der Hydroponik.

 

Besonders interessant sind die diversen Sonderthemen im Buch, darunter „Meine Ernte“ und „Ackerhelden“. Darin geht es um den wachsenden Wunsch nach Unabhängigkeit von industriell gefertigter Nahrung, um mehr Ernährungssouveränität durch Selbsterntegärten. Im Kapitel zur Essbaren Stadt erwähnen die Autorinnen 140 Essbare Städte in Deutschland (Tendenz steigend): „Lokale Akteure der Lebensmittelversorgung, Anbieter, Märkte, Slow Food, Food-start-ups, Metzgereien, Gourmets, Eltern, Politiker, Essensretter, Tafeln und Ökobauern schließen sich in immer mehr Städten zusammen“ (S. 49). Dies führt oft zur Gründung von Ernährungsräten, deren Ziel es u. a. ist, sich im Rahmen eines möglichst breiten Netzwerks die Entscheidungshoheit über unsere Nahrung zurückzuholen. (Köln und Berlin sind die ersten deutsche Städte mit einem Ernährungsrat, denen immer mehr weitere folgen).

 

Nach Ansicht von Künast und Wegner ist Saatgut ein Kulturgut, das frei zugänglich sein sollte. Im letzten Jahrhundert seien 75 % aller Sorten zerstört worden. Heute sind von Konzernen entwickelte Hybride auf dem Markt, für die Patente bezahlt, Agrochemie und immer wieder neues Saatgut gekauft werden muss. Die Firmen Bayer/Monsanto, ChemChina/Syngenta und Dow/DuPont beherrschen den Weltmarkt. „Die Freiheit der Bauern, die Rechte an ihren alten Sorten zu behalten, ist in Gefahr“ (S. 83). In Zahlen: Es gibt rund 80.000 Nutzpflanzen, von denen nur noch 5.600 angebaut werden. Nur 150 davon werden in intensiver Landwirtschaft betrieben, was die Bewahrung und das Behüten von Saatgut bedrohter Pflanzenarten umso bedeutsamer macht. Im Buch sind Adressen des Online-Handels zu finden; aber auch lokale Saatgutbörsen oder der Gartenbetreiber in der Nachbarschaft sind gute Quellen.

 

Das Hauptaugenmerk liegt auf der Vorstellung der Gartenprojekte, wobei die Auswahlkriterien nicht genannt werden. So wird in Köln der Carlsgarten aufgeführt, der nur einer von vielen in der Domstadt ist. Er wurde auf einem Industriegelände angelegt, in dem derzeit das Ausweichquartier des Schauspiels Köln angesiedelt ist, und wertet den Ort dadurch sehr auf. Im Gesamten geben die ausgewählten Gärten aber einen guten Überblick über die Themenvielfalt und einige Aspekte wiederholen sich dabei. Ob Gartenwissen jeder Art, ökologischer Anbau, Misch- und Permakultur, Biodiversität, ob Bewässerungsstrategien, Klimaschutz, Recycling, Upcycling, Ressourcenschonung, Inklusion aller Bevölkerungsschichten, Kinder- und Jugendaktivitäten, Behindertenarbeit, Sozialarbeit, Umweltbildung, Kulturveranstaltungen, Gartenfeste, Wertschätzung und Sicherung von Nahrung, die Liste kann noch fortgeführt werden. Die Politik könnte mit der Unterstützung dieser Gärten eine Vielzahl von Projekten auf einmal fördern. Leider ist es häufiger so, dass Gärten nur für eine begrenzte Zeit eingerichtet werden, wie Inselgrün in Stuttgart, die dann lange nicht wissen, wohin sie umziehen können.

 

Die Autorinnen gehen noch auf zwei grundlegende Voraussetzungen ein. Im Kapitel über Bienenschutz wird ganz klar gesagt, dass die Bienen vor Patentierung und Privatisierung zu schützen seien, damit es ihnen nicht wie vielen Pflanzen erginge. Die Imker-Organisation Apimondia setzt sich dafür ein. Die Europäische Kommission legte 2018 einen Aktionsplan zum Schutz aller bestäubenden Insekten vor, der aber nicht ausreichend ist. „Wir müssen Schluss machen mit den Pestizidanwendungen – sofort“ (S. 114), fordert Künast. – Des weiteren sind gesunde Böden vonnöten, die die Autorinnen das „neue Gold“ nennen. Solche Erde wird als Alleskönner beschrieben und als „Ökodienstleister“, dessen Wert unschätzbar ist. Bei künftigen Entscheidungen über  Pestizide steht für Künast fest: „Totalherbizide wie Glyphosat dürften dann keine Zulassung mehr bekommen“ (S. 149). Beide Sonderkapitel sind mit entsprechenden Kontaktadressen und Links versehen.

 

Künast fragte Sebastian Pomm von der Gartengemeinschaft Annalinde in Leipzig nach seinen Wünschen an die Politik und er sprach wohl für viele Akteure und Akteurinnen: Erstens, eine Ausweitung der Fördermittel für urbane Landwirtschaft und ein Überdenken der ganzen „EU-Landwirtschaftsmaschinerie“ (S. 105). Zweitens wünscht er sich  Ernährungskonzepte für die Städte, ähnlich wie Wasserkonzepte, die jede Stadt hat. Zum Dritten möchte er feste Maßgaben für die Anbieter öffentlicher Speisung, sei es in Schulen, Kantinen, Krankenhäusern etc. Der Anteil lokal erzeugter und am besten noch biologisch angebauter Nahrungsmittel sollte darin festgeschrieben sein.

 

Das Buch ist mit wunderbaren Fotos illustriert und wurde von der Grafikerin Heike Czerner sorgfältig und liebevoll gestaltet, so dass es sich als Geschenkband eignet. Inhaltlich ist es eher breit angelegt und es überwiegen die Elemente, die Lust auf Gärtnern machen. Die kritischen Töne sind in dieser Rezension etwas hervorgehoben, denn seit der Abfassung des Buches hat sich die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Politik verschärft. Die Gelbwesten-Bewegung hat Deutschland erreicht und auch die Schülerproteste, aus denen Fridays for Future hervorgangenen ist, sind als Entwicklung neu dazu gekommen. Das Wissen der Politiker*innen um den Handlungsbedarf allein reicht nicht aus, es muss gehandelt werden. Anders als die Jugendlichen, die nicht einmal wählen dürfen, sitzt Renate Künast mittenmang im Bundestag. Die ehemalige Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ist als bodenständig, couragiert und durchsetzungsfähig bekannt…

 

Das Buch ist im Callwey Verlag erschienen und kostet 29.95€.

Text: Helga Fitzner

 

 

 

Buchrezension “Gesunder Garten durch Mischkultur” von Gertrud Franck

Naturnahes Gärtnern nach Gertrud Franck

 

Gertrud Franck gilt als die wichtigste deutsche Biogartenpionierin, da sie schon Mitte der 1940er Jahre begann, ein eigenes Mischkultursystem zu entwickeln, das einen ganzheitlichen Ansatz hat und bis heute gültig ist. Ihr Buch „Gesunder Garten durch Mischkultur“ war von 1980 bis 1991 im Buchhandel erhältlich und war seitdem vergriffen. Die Diplom-Agraringenieurin Brunhilde Bross-Burkhardt, eine Schülerin Francks, brachte dieses als Standardwerk geltende Buch im Februar 2019 neu heraus, um dieses in zahlreichen Experimenten erprobte Wissen nicht nur zu erhalten, sondern auch besser zugänglich zu machen.

Gertrud Franck ging von zwei wesentlichen Beobachtungen aus: Es gibt in der Natur keine freien Flächen und auch keine Monokulturen. Für Kenner*innen der Gartenszene ist sofort erkennbar, wenn sie einen solchen Mischkulturgarten vor sich haben, weil der nicht aus Beeten, sondern aus Reihen besteht. Es gibt keine Steinplatten oder Umrandungen, damit die Pflanzen ungehindert wachsen können und alles ist ganzflächig bewachsen und kompostiert. An oberster Stelle steht die Bodengesundheit, d. h. der Aufbau von Humus und die Schaffung von guten Voraussetzungen für Regenwürmer, Kleinstlebewesen und alles, was an einer guten Beschaffenheit des Bodens Anteil hat. Gartenanfänger*innen müssen bei Anwendung dieser Methode Entschlossenheit mitbringen, denn die Erstellung des Gartenplans in Pflanzen nach drei Kategorien A, B und C ist gewöhnungsbedürftig. Es beginnt mit Gründüngungspflanzen wie Spinat oder Ackerbohnen, die den Platz zwischen den Kulturreihen einnehmen. Sie werden später abgehackt und als Mulch auf dem Boden liegen gelassen, der dann als zwischenzeitlicher Trittweg dienen kann. Die schnell verrottenden Wurzeln verbleiben im Erdreich und tragen zur Humusbildung bei.

A-Reihen werden rot markiert und sind für dominierende Hauptkulturen reserviert. Nach frostsicherer Voraussaat können z. B. Tomaten, Stangenbohnen und Gurken gepflanzt werden, die alle viel Platz und Höhe einnehmen. Die B-Reihen sind grün markiert, zu ihnen gehören Zwiebeln und Blumenkohl, die von mittlerer Größe und Wachstumsdauer sind. Die C-Reihen haben eine blaue Markierung, für Gemüse mit kurzer Vegetationszeit und niedrigem Wuchs, wie Salate, Kohlrabi und Fenchel. Die Abfolge der Reihen ist immer gleich: a-c-b-c-a-c-b-c-a und wurde von Franck „rollierendes System“ genannt. Es berücksichtigt die unterschiedlichen morphologischen Eigenschaften der Pflanzen, ihre Verträglichkeit untereinander, ihre unterschiedliche Keim- und Entwicklungsdauer sowie ihr jeweiliges Bedürfnis nach Licht und Schatten. Wenn dieser Mischkulturplan erst einmal erstellt ist, ergeben sich Reihenwechsel und Fruchtfolgen fast von allein. Die Umsetzung wird mit Tabellen und Fotos reichhaltig illustriert.

Francks Buch beginnt mit der Aussage: „Dieser Garten hat als Vorbild … die unbeschädigte und unverdorbene Natur. Sie wurde zum gültigen Lehrbuch…  Alle Pflanzen leben miteinander und voneinander. Jede Pflanzengemeinschaft steht in Wechselwirkung mit ihrer Umwelt und ist nicht austauschbar.“ (S. 17). Im Laufe des Buches wird klar, dass Franck auch die Gartentiere miteinschließt, die zum harmonischen Ganzen dazu gehören. Ihre Methode ist für möglichst autarke Selbstversorgungsgärten gedacht, die die Betreiber*innen das ganze Jahr hindurch mit Gemüse, Obst, Kräutern und Blumen versorgen können. Nach der anfänglichen Investition in Saatgut etc. trägt der Garten sich fast selbst. Und – er kann vom Kraftaufwand her von Frauen allein bewirtschaftet werden. Gertrud Franck lebte von 1905 bis 1996, hat also zwei Weltkriege erlebt und wusste von unserer Abhängigkeit von Nahrung durch deren Mangel. Am Ende gibt es Rezepte, Tipps zur Haltbarmachung von überschüssiger Ernte und dem Anlegen von Wintervorrat. Franck liebte Kräuter, deren Heilwirkung sie ebenfalls beschreibt.

Das Buch ist ein Füllhorn an wertvollen Hinweisen und erklärt, welche Pflanzen zueinander passen und welche getrennt voneinander angebaut werden sollten. Die Leserschaft erfährt, wie man Nematoden oder Kohlhernienverseuchung verhindern kann. Manchmal muss man sich mit einem Befall auch abfinden, wie bei Blattläusen. Die dienen Marienkäfern zur Nahrung, die sich entsprechend vermehren und in der nächsten Saison das Läuseproblem lösen. Die Eindämmung der Schneckenplage ist arbeitsintensiver: Hier muss man im Mai/Juni möglichst viele einsammeln, bevor sie sich vermehren können. Sollten sie es dennoch schaffen, kann man bei der herbstlichen Lockerung des Bodens die Eier leicht erkennen. (Nur lockern, umgraben würde dem Mikrokosmos im Boden und Humusaufbau schaden.) Man muss die Schneckeneier bloß an einem hellen und trockenen Ort auslegen, dann gehen sie von allein ein. Von Gift jeglicher Art rät Franck ab. Wenn vergiftete Insekten von Vögeln gefressen würden, könnten auch diese zu Schaden kommen.

Bei Franck wird Kompostieren zur Kunst. Es gehört längst nicht alles auf den Kompost. Sie komponiert regelrecht die Zusammensetzung des natürlichen Düngemittels, manchmal sogar mit Heilkräutern, je nach dem, was die Pflanze oder der Boden zur Gesundung braucht. Bei ihr kommen auch unscheinbare Pflanzen wie die Brennnessel zu Ehren. Aus ihr kann wertvolle Jauche hergestellt werden, aber man sollte sie auch stehen lassen, weil auf ihr z. B. die Schmetterlinge ihre Eier ablegen. Es gibt viele weitere Hinweise und es ist erstaunlich, wie leicht man auf Gift verzichten kann, wenn man weiß, wie, und auch lernt, der Natur und ihren Kreisläufen zu vertrauen.

Am Ende des Buches schreibt Franck: „Was so in eigenen Gärten angebaut wird, ist auf keinem Markt zu kaufen. Dieses Buch soll einen Weg aufzeigen, inwieweit über den materiellen Wert hinaus Unbezahlbares erreichbar ist, nicht Nahrungsmittel allein, sondern Heilwerte zu erzeugen.“ (S. 121)

 

Text: Helga Fitzner

Urban Gardening Manifest

Urban Gardening Manifest – „Die Stadt ist unser Garten“

Im Jahr 2014 wurde das sogenannte Urban-Gardening-Manifest von mehreren Gartenaktivist*innen in Deutschland abschließend formuliert und veröffentlicht.

Ein Manifest ist ganz allgemein eine öffentliche Erklärung von Absichten und Zielen, meist politischer Natur und so soll auch in diesem konkreten Fall eine politische Dimension des gemeinschaftlichen Gärtnerns verdeutlicht werden.

Auf der einen Seite dient das Urban Gardening Manifest dazu, den Begriff der „Urbanen Gemeinschaftsgärten“ inhaltlich mit Leben zu füllen und deren Rolle im städtischen Lebensraum zu verdeutlichen. So werden sie als Orte der kulturellen und sozialen Vielfalt und des nachbarschaftlichen Miteinanders beschrieben. In den Gärten kann Natur erfahren, Biodiversität gefördert und Ernährungssouveränität umgesetzt werden. Sie leben von gemeinsamer Gestaltung und Teilhabe und lassen so eine kooperative Stadtgesellschaft Wirklichkeit werden. Zudem tragen urbane Gemeinschaftsgärten sowohl zu einem besseren Klima in der Stadt als auch zu mehr Lebensqualität ihrer Bewohner bei.

Dieser inhaltlichen Beschreibung folgt im zweiten Abschnitt des Manifests ein deutlicher Appell, der an die Politik bzw. die Stadtverwaltungen gerichtet ist. Die Autor*innen des Manifests fordern Entscheidungsträger*innen in Politik, Planung und Verwaltung auf, die Bedeutung urbaner Gemeinschaftsgärten anzuerkennen und ihnen einen rechtlichen Status einzuräumen. So könnten sie in die Stadtplanung integriert und ihr Fortbestand gesichert werden.

Unterzeichnet wurde das Manifest von vielen städtischen Gartenprojekten deutschlandweit, so auch von einigen Kölner Initiativen, wie  NeuLand e.V., Gartenwerkstadt Ehrenfeld e.V.,  Garten der Welt (allerweltshaus), Querwaldein e.V., Querbeet e.V.

Interessierte, die im Bereich des gemeinschaftlichen Gärtnerns engagiert sind, können sich unter folgendem Link den Forderungen des Manifestes anschließen und das Projekt so unterstützen: https://urbangardeningmanifest.de/mitmachen

Netzwerk der Gemeinschaftsgärten

Das Kölner Gemeinschaftsgärtennetzwerk bietet neuen Gemeinschaftsgärten-Initiativen konkret Hilfe bei der Beratung zu allen Urban Gardening Fragen, bei der Vernetzung und kommunikativer Reichweite, bei der Beratung und Beschaffung von Saatgut und Pflanzen, Geräten und Geschirr.

Wenn euch das Gartenfieber gepackt hat, könnt ihr euch hier über aktuelle Termine und Aktionen des Netzwerks der Gemeinschaftsgärten informieren: https://gemeinschaftsgaerten-koeln.de/

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