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Buchbesprechung „Tiere pflanzen“ von Ulrike Aufderheide
Beispiele für gemeinsame Lebensräume von Pflanzen und Tieren

Kann man Tiere pflanzen? Während des Saatgutfestivals in Köln am 29. Februar 2020 hielt die Diplom-Biologin Ulrike Aufderheide einen Vortrag zu ihrem Buch „Tiere pflanzen – Faszinierende Partnerschaften zwischen Pflanzen und Tieren“, in dem 18 attraktive Lebensräume im Naturgarten vorgestellt werden. Das Publikum war begeistert von dieser Partnervermittlung der biologischen Art, denn Aufderheide erklärte anschaulich die Zusammenhänge zwischen heimischen Pflanzen und Tieren, die nach dem Schlüssel- und Schloss-Prinzip Lebensgemeinschaften bilden. Wer zum Beispiel in seinem Naturgarten dem bunten und geselligen Stieglitz ein Habitat bieten möchte, der soll Wilde Karden pflanzen, die für Stieglitze unwiderstehlich sind. Das Saatgutfestival fördert traditionell die Artenvielfalt und viele Teilnehmer*innen engagierten sich an ihren diversen Ständen, sodass sie keine Gelegenheit hatten, sich diesen und andere Vorträge anzuhören. Wir besprechen hier das den Ausführungen von Aufderheide zugrunde liegende Buch.

Die Hauptthese von „Tiere pflanzen“ ist die Rückkehr zum naturnahen Gärtnern und zur Bevorzugung einheimischer Wildpflanzen, die oft importierten Exoten, einem Rasen oder „einfältigen Steinwüsten“ weichen müssen. Die einheimischen Wildpflanzen haben sich im Lauf von Jahrtausenden in unseren Breitengraden entwickelt und sind Symbiosen mit ihrem Umfeld eingegangen. Dadurch sind gegenseitige Abhängigkeiten entstanden und Aufderheide erklärt ausführlich, wie man diese Koevolution nutzen kann. So ist der heimische Wasserdost eine Alternative zum nicht heimischen Schmetterlingsflieder, weil er wesentlich mehr Schmetterlingsarten und anderen Insekten zur Nahrung dient und Wildbienen sowie zahlreiche Schwebfliegen anlockt. Aufderheide weist an 18 Fallbeispielen nach, dass man durch gezieltes Pflanzen ursprüngliche Kreisläufe wiederherstellen und damit einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten kann, und zwar bei Pflanzen, Insekten und Tieren.

In Gartencenters gibt es so viele Fläschchen und Pülverchen gegen unerwünschte Pflanzen und Insekten, „als gäbe es kaum einen Unterschied zwischen einem Garten und einem Pflanzenkrankenhaus“ (S. 15), moniert Aufderheide. Da ein Naturgarten selbstregulierend ist, verursacht er deutlich weniger Arbeit und Kosten. Chemikalien und Gifte sind unnötig. Unerwünschten Beiwuchs gibt es praktisch nicht und selbst Blattläuse sind willkommen, weil sie der „Babybrei“ für Vogelküken sind, und in der Natur haben alle ihren Sinn und ihre Aufgabe. Ja, Raupen sind gefräßig und schädigen Pflanzen, aber ohne Raupen gibt es keine Schmetterlinge, die ihre jugendliche Völlerei durch ihre spätere Bestäubertätigkeit wieder wett machen. Naturnahe Gärten wirken für den Laien oft wie Unkrautgärten, doch ist es gerade dieser Beiwuchs, der für einige Insekten- und Tierarten unverzichtbar ist. So gilt der Gemeine Hohlzahn als Unkraut, sichert aber der Weidenmeise und der Sumpfmeise durch seine Samen den Wintervorrat. Abgeblühte Stauden sollen zumindest nur zur Hälfte abgemäht werden, weil sie ein unentbehrliches Rückzugsgebiet für Insekten sind und zum Beispiel als „Puppenstuben“ für werdende Schmetterlinge genutzt werden. Die Eberesche ist, so klein sie als Baumart auch sein mag, ein ziemlicher Allrounder, nicht nur beliebt bei Insekten, sondern bei 63 Vogelarten. Der äußere Anschein trügt also gelegentlich.

Die Gärten mit exotischen Blumen und Gewächsen, Zier- oder auch Steingärten sind sehr beliebt, aber dem Erhalt der Artenvielfalt nicht wirklich dienlich. Während 103 Insektenarten von Wildrosen abhängig sind, trifft das auf gezüchtete Rosen kaum zu. „Tiere pflanzen“ macht klar, dass wir uns von ein paar lieb gewordenen Vorstellungen verabschieden müssen, wenn wir naturnah anbauen. So mag es auf den ersten Blick überraschen, dass Aufderheide die „Vergrünung“ beklagt und dann erklärt: „Eine der Hauptursachen für den Rückgang der Biodiversität ist das Verschwinden von ’schlechten‘ Böden… Unsere Landschaft ist ‚vergrünt“. Früher nur schütter bewachsene Böden sind heute dicht bewachsen“. Der heutige intensiv gedüngte Acker kommt in der Natur nicht vor und Aufderheide spricht von einer Übernutzung des Erdreichs durch die Landwirtschaft. Das hat jene Arten verdrängt, die auf karge Erde und deren Nährstoffarmut angewiesen sind. So hat sich zum Beispiel der Heilziest auf nährstoffarme Böden spezialisiert, damit er nicht von konkurrenzstärkeren Pflanzen überwachsen wird.

Aufderheide geht zudem noch auf die Bedeutung von Wildstrauchhecken, Dach- und Vertikalbegrünung, richtig angelegtem Kompost sowie Trockenmauern, Kalkschotterbeeten, aber auch Wasserstellen ein. Die Erläuterungen sind konkret und werden mit entsprechenden Tabellen, zahlreichen Fotos und Anleitungen illustriert, die vor allem die jeweiligen Standorte berücksichtigen. So detailreich das Buch ist, kann man aber immer den Überblick bewahren, und es strahlt die Begeisterung für das Thema aus, die wir auch bei der Autorin während ihres Vortrags auf dem Saatgutfestival spüren konnten.

Text: Helga Fitzner

Essbare-Stadt