Naturnahes Gärtnern nach Gertrud Franck

 

Gertrud Franck gilt als die wichtigste deutsche Biogartenpionierin, da sie schon Mitte der 1940er Jahre begann, ein eigenes Mischkultursystem zu entwickeln, das einen ganzheitlichen Ansatz hat und bis heute gültig ist. Ihr Buch „Gesunder Garten durch Mischkultur“ war von 1980 bis 1991 im Buchhandel erhältlich und war seitdem vergriffen. Die Diplom-Agraringenieurin Brunhilde Bross-Burkhardt, eine Schülerin Francks, brachte dieses als Standardwerk geltende Buch im Februar 2019 neu heraus, um dieses in zahlreichen Experimenten erprobte Wissen nicht nur zu erhalten, sondern auch besser zugänglich zu machen.

Gertrud Franck ging von zwei wesentlichen Beobachtungen aus: Es gibt in der Natur keine freien Flächen und auch keine Monokulturen. Für Kenner*innen der Gartenszene ist sofort erkennbar, wenn sie einen solchen Mischkulturgarten vor sich haben, weil der nicht aus Beeten, sondern aus Reihen besteht. Es gibt keine Steinplatten oder Umrandungen, damit die Pflanzen ungehindert wachsen können und alles ist ganzflächig bewachsen und kompostiert. An oberster Stelle steht die Bodengesundheit, d. h. der Aufbau von Humus und die Schaffung von guten Voraussetzungen für Regenwürmer, Kleinstlebewesen und alles, was an einer guten Beschaffenheit des Bodens Anteil hat. Gartenanfänger*innen müssen bei Anwendung dieser Methode Entschlossenheit mitbringen, denn die Erstellung des Gartenplans in Pflanzen nach drei Kategorien A, B und C ist gewöhnungsbedürftig. Es beginnt mit Gründüngungspflanzen wie Spinat oder Ackerbohnen, die den Platz zwischen den Kulturreihen einnehmen. Sie werden später abgehackt und als Mulch auf dem Boden liegen gelassen, der dann als zwischenzeitlicher Trittweg dienen kann. Die schnell verrottenden Wurzeln verbleiben im Erdreich und tragen zur Humusbildung bei.

A-Reihen werden rot markiert und sind für dominierende Hauptkulturen reserviert. Nach frostsicherer Voraussaat können z. B. Tomaten, Stangenbohnen und Gurken gepflanzt werden, die alle viel Platz und Höhe einnehmen. Die B-Reihen sind grün markiert, zu ihnen gehören Zwiebeln und Blumenkohl, die von mittlerer Größe und Wachstumsdauer sind. Die C-Reihen haben eine blaue Markierung, für Gemüse mit kurzer Vegetationszeit und niedrigem Wuchs, wie Salate, Kohlrabi und Fenchel. Die Abfolge der Reihen ist immer gleich: a-c-b-c-a-c-b-c-a und wurde von Franck „rollierendes System“ genannt. Es berücksichtigt die unterschiedlichen morphologischen Eigenschaften der Pflanzen, ihre Verträglichkeit untereinander, ihre unterschiedliche Keim- und Entwicklungsdauer sowie ihr jeweiliges Bedürfnis nach Licht und Schatten. Wenn dieser Mischkulturplan erst einmal erstellt ist, ergeben sich Reihenwechsel und Fruchtfolgen fast von allein. Die Umsetzung wird mit Tabellen und Fotos reichhaltig illustriert.

Francks Buch beginnt mit der Aussage: „Dieser Garten hat als Vorbild … die unbeschädigte und unverdorbene Natur. Sie wurde zum gültigen Lehrbuch…  Alle Pflanzen leben miteinander und voneinander. Jede Pflanzengemeinschaft steht in Wechselwirkung mit ihrer Umwelt und ist nicht austauschbar.“ (S. 17). Im Laufe des Buches wird klar, dass Franck auch die Gartentiere miteinschließt, die zum harmonischen Ganzen dazu gehören. Ihre Methode ist für möglichst autarke Selbstversorgungsgärten gedacht, die die Betreiber*innen das ganze Jahr hindurch mit Gemüse, Obst, Kräutern und Blumen versorgen können. Nach der anfänglichen Investition in Saatgut etc. trägt der Garten sich fast selbst. Und – er kann vom Kraftaufwand her von Frauen allein bewirtschaftet werden. Gertrud Franck lebte von 1905 bis 1996, hat also zwei Weltkriege erlebt und wusste von unserer Abhängigkeit von Nahrung durch deren Mangel. Am Ende gibt es Rezepte, Tipps zur Haltbarmachung von überschüssiger Ernte und dem Anlegen von Wintervorrat. Franck liebte Kräuter, deren Heilwirkung sie ebenfalls beschreibt.

Das Buch ist ein Füllhorn an wertvollen Hinweisen und erklärt, welche Pflanzen zueinander passen und welche getrennt voneinander angebaut werden sollten. Die Leserschaft erfährt, wie man Nematoden oder Kohlhernienverseuchung verhindern kann. Manchmal muss man sich mit einem Befall auch abfinden, wie bei Blattläusen. Die dienen Marienkäfern zur Nahrung, die sich entsprechend vermehren und in der nächsten Saison das Läuseproblem lösen. Die Eindämmung der Schneckenplage ist arbeitsintensiver: Hier muss man im Mai/Juni möglichst viele einsammeln, bevor sie sich vermehren können. Sollten sie es dennoch schaffen, kann man bei der herbstlichen Lockerung des Bodens die Eier leicht erkennen. (Nur lockern, umgraben würde dem Mikrokosmos im Boden und Humusaufbau schaden.) Man muss die Schneckeneier bloß an einem hellen und trockenen Ort auslegen, dann gehen sie von allein ein. Von Gift jeglicher Art rät Franck ab. Wenn vergiftete Insekten von Vögeln gefressen würden, könnten auch diese zu Schaden kommen.

Bei Franck wird Kompostieren zur Kunst. Es gehört längst nicht alles auf den Kompost. Sie komponiert regelrecht die Zusammensetzung des natürlichen Düngemittels, manchmal sogar mit Heilkräutern, je nach dem, was die Pflanze oder der Boden zur Gesundung braucht. Bei ihr kommen auch unscheinbare Pflanzen wie die Brennnessel zu Ehren. Aus ihr kann wertvolle Jauche hergestellt werden, aber man sollte sie auch stehen lassen, weil auf ihr z. B. die Schmetterlinge ihre Eier ablegen. Es gibt viele weitere Hinweise und es ist erstaunlich, wie leicht man auf Gift verzichten kann, wenn man weiß, wie, und auch lernt, der Natur und ihren Kreisläufen zu vertrauen.

Am Ende des Buches schreibt Franck: „Was so in eigenen Gärten angebaut wird, ist auf keinem Markt zu kaufen. Dieses Buch soll einen Weg aufzeigen, inwieweit über den materiellen Wert hinaus Unbezahlbares erreichbar ist, nicht Nahrungsmittel allein, sondern Heilwerte zu erzeugen.“ (S. 121)

 

Text: Helga Fitzner

Essbare-Stadt