In Köln gibt es seit dem 06. August 2019 Stadtführungen der besonderen Art: Rund 30 Personen fanden sich an diesem Tag zur ersten Führung der Essbaren Stadt ein. Mildred Utku vom Ernährungsrat Köln freute sich sehr über die rege Teilnahme. Sie stellte den Besuchern drei Vorzeigeprojekte der Essbaren Stadt vor. Selbst der zeitweise einsetzende Regen wurde von den Teilnehmenden begrüßt, weil die Natur ihn dringend benötigt.

Erste Station: Brüsseler Platz

Schon im Jahr 2003 wurde dort die Bürgerinitiative Querbeet (http://bruesseler-platz.de/) gegründet, die sich für den Erhalt und die Pflege der Pflanzenbeete rund um die St. Michaels-Kirche einsetzt. Yana Yo, die Initiatorin von Querbeet, führte über den Platz und erzählte dessen Geschichte. Der Anbau von Essbaren Pflanzen wurde zunächst verboten, weil man eine Rattenplage befürchtete und sich niemand den Verzehr von Tomaten vorstellen konnte, deren Beet zuvor als Hundeklo benutzt worden war. Mildred Utku erklärte aber, dass der Begriff „essbar“ sich nicht nur auf den Menschen, sondern auch auf Insekten und Vögel bezieht, denen gezielt Nahrungsquellen geboten werden müssen, da deren Populationen sehr zurückgegangen sind. Querbeet ist seit nunmehr 16 Jahren dort tätig und bekam vor zwei Jahren sogar einen Ehrenamtspreis, denn die Pflege der Beete erfordert viel Engagement von den derzeit 16 Pat*innen. Der Brüsseler Platz wird von riesigen, denkmalgeschützten Platanen überragt, die sehr viel Schatten spenden, wodurch nur solche Gewächse angebaut werden können, die wenig Licht benötigen: Trotzdem ist eine große Vielfalt entstanden. „Jeder Pate hat seine eigene Beetphilosophie“, erklärte Yana Yo. Während der üppig bewachsene Brüsseler Platz tagsüber von Einheimischen und Touristen bewundert wird, ist er in den Sommermonaten auch Partyplatz, was nicht nur für die Anwohner*innen, sondern auch für Querbeet ein Problem darstellt. Kronkorken, Zigarettenkippen und Müll werden achtlos in die Beete geworfen und teilweise beschädigt. Appelle an die Feiernden blieben nutzlos, doch entsprechende Berichterstattung in den Medien führte dazu, dass es z. B. externe Müllsammelaktionen gab, mit denen man den Aktiven von Querbeet den Rücken stärkte. Yana Yo´s Resümee ist insgesamt sehr erfreulich. Seit fünf bis sechs Jahren gibt es Pflanzaktionen mit Kindern der nahegelegenen Kita. Das sind unterstützte soziale Projekte, die Menschen dazu anhalten wollen, ihre Stadt oder zumindest ihr Umfeld aktiv mitzugestalten. Über den großen Platz verteilt, gibt es derzeit rund 50 essbare Pflanzen, für Mensch und Tier, die Stadt Köln hat am Spielplatz selbst Beerensträucher angepflanzt. Nun wurde auch eine Stelle genehmigt, in der eigener Kompost, ausschließlich aus Grünschnitt, angesetzt werden darf. Die Stadt hat auch zwei Hydranten gestiftet, so dass Querbeet nun kein „Wassergeld“ für angemietete Hydranten zahlen muss, freut sich Yana Yo: „Das ist ein großer Schritt nach vorn“.

Die zweite Station: Der Yitzhak-Rabin-Platz

Am Yitzhak-Rabin-Platz befindet sich ein Kiosk mit sehr langen Öffnungszeiten. So wurde er zu einem Ort von Nachtschwärmern, Alkohol-und Drogenkonsumenten etc., die ihn zu einem Problemplatz werden ließen. Er war völlig verwahrlost, als die Stadt Köln von sich aus Gegenmaßnahmen ergriff. Sie mobilisierte vor zwei Jahren die Nachbarschaft im Rahmen von Workshops und legte mit ihnen gemeinsam Beete an: Der Boden wurde abgedichtet, mit Erde beschichtet, bepflanzt und mit Holzzäunen versehen. Jedem Beet sind Pat*innen zugeordnet, die sie hegen und pflegen. Die Stadt hat in einer SozialWerkstatt Tische und Bänke anfertigen lassen, die das ganze Jahr über dort draußen stehen. Nun sieht der Platz gepflegt aus und hat Aufenthaltsqualität. An essbaren pflanzen gibt es dort jetzt beispielsweise Erdbeeren, Tomaten und Artischocken. Auch im zweiten Jahr scheint das Projekt aufzugehen. Die Beete sind gepflegt und die Nachbarschaft trifft sich an dem Platz z. B auch zum gemeinsamen Essen. An einem der Bäume hängt ein Insektenhotel. Hier hat die Stadt Köln angemessen, nachbarschaftsfördernd, klimafreundlich und erfolgreich eingegriffen.

Die dritte Station: Der Rathenauplatz

Der Rathenauplatz ist der erste „essbare Platz“ in Köln, der aus der „bottom-up“ Bewegung hervorgegangen ist: Die Bürgergemeinschaft Rathenauplatz BGR e. V. wurde bereits 1977 gegründet und setzt sich seitdem für das Wohlergehen des Platzes und seiner Nachbarschaft ein. Mildred Utku gehörte zu denen, die die Gestaltung zum Essbaren Platz vorantrieben. Ein Konzept wurde erarbeitet, dass Politik und Stadtverwaltung überzeugte. Die Bürgergemeinschaft übernahm schließlich die Patenschaft. Im Oktober 2018 fand die erste Pflanzaktion mit Beerensträuchern statt, im März 2019 kamen zwei Apfelbäume dazu, die professionell gepflanzt und zu ihrem Schutz mit Kaninchendraht umwickelt wurden. (Wir berichteten: https://www.essbare-stadt.koeln/2019/04/04/zweite_pflanzaktion_rathenauplatz/) „Es gibt im hinteren Bereich noch eine Pergola, die mit Efeu bewachsen ist“, erzählte Utku, „da bestehen Pläne, sie später noch mit Wein zu bepflanzen“. Diese erste Führung zeigte die Errungenschaften und die Entschlossenheit derer, die sich für die Umwelt und ihre Nachbarschaft einsetzen. Wir erlebten drei vielversprechende Beispiele, vor allem wenn Bürgerschaft und Verwaltung Hand in Hand arbeiten.

Diese Führung war nur der Auftakt – weitere Essbare-Stadt-Führungen sollen noch in diesem Jahr folgen:

https://www.essbare-stadt.koeln/termine-2/

Text: Helga Fitzner

Fotos: Mildred Utku

Essbare-Stadt