Die Essbare Stadt wächst und gedeiht auch im Gefängnis. Wir hatten dieses Frühjahr zwei außergewöhnliche Garten-Workshops sowohl innerhalb als auch im öffentlichen Bereich der JVA Köln in Ossendorf – in Köln auch unter dem historischen Begriff Klingelpütz bekannt.

Zehn Mitarbeiter:innen und Anwohner:innen sowie zwei Kinder haben tatkräftig angepackt und mit vier Hochbeeten einen Grundstein für den Garten am „Knastbüdchen“ gelegt. Die JVA Köln ist umgeben von einer Reihe Dienstwohnungen für Mitarbeiter:innen. Eines dieser Häuser ist zu einem Knastbüdchen umfunktioniert worden, in dem in der Haftanstalt Produziertes verkauft wird. Den Vorgarten dieses Häuschens haben nun die Mitarbeiter:innen und ihre Familien im Sinne der essbaren Stadt umgestaltet.

Upcycling war das Gebot des Gartentags, denn wir haben die Hochbeete aus gebrauchten Einwegpaletten gebaut. Auch zwei kleine Kinderhochbeete wurden schon aus Altholz auf alten Stuhlbeinen montiert und mit einer alten Einkaufstasche als Folienersatz ausgelegt. Nachdem wir dann die Hochbeete in verschiedenen Schichten mit Ästen, Laub, Grünschnitt, Rasen, den Grassoden, die wir zuvor an den Standorten der Beete entfernt hatten, und grobem Kompost gefüllt hatten, konnten wir mit den Pflanzen weitermachen. Ausgesät haben wir Spinat und Radieschen sowie Kapuzinerkresse und Ringelblume. Zudem konnten wir Kohlrabi, Radieschen und auch Paprika pflanzen, denn diese wurden von Inhaftierten in der bereits vorgezogen. Eigentlich ist es noch zu früh für die Kälteempfindlichen Paprika gewesen, aber sie waren schon sehr weit gediehen, weil sie im Warmen vorgezogen wurden. Insofern ist es nun ein kleines Experiment, wie gut die Paprikapflanzen mit unserem Frühling zurechtkommen.

Aber wie kamen wir denn nun zu so einem außergewöhnlichen Ort für die Essbare Stadt? Die Justizvollzuganstalt ist Teil der Landesverwaltung NRW und macht im Programm der nachhaltigen Landesverwaltung mit. So wurde die Kölner Haftanstalt vom Landesamt für Natur- und Umweltschutz 2022 für die Teilnahme am ÖKOPROFIT-Projekt ausgezeichnet.  Dabei geht es nicht nur darum Energie im Gebäude einzusparen, sondern auch die biologische Vielfalt zu erhöhen und aktive Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen umzusetzen. Im Zuge dessen möchten die Projektbeteiligten der JVA das Gefängnis auch essbarer machen. Auch wenn wir von der Anfrage überrascht waren, haben wir uns dann natürlich eingebracht

Von den Flächen her gäbe es großes Potential, die Haftanstalt erstreckt sich auf 25ha, mit vielen freien Flächen und alleine einer über einen Kilometer langen Außenmauer, welche von mehreren Sicherheitsstreifen umgeben ist. Diese sind mit sehr kurzem Gras bewachsen, das aus Sicherheitsgründen leider kurz bleiben muss. Theoretisch wären also kilometerlange Blühstreifen möglich. Trotz der vielen sicherheitsbedingten Einschränkungen sind die Mitarbeitenden der JVA bemüht das Gelände ökologischer zu gestalten, mit Blühwiesen, Insektenhotels und Vogelhäuschen und nun auch Hochbeeten, in denen Essbares für Mensch und Tier angebaut wird.

Als Teil des Projekts „Essbares Wohnumfeld“ haben wir die JVA Köln dabei beraten und tatkräftig unterstützt sowohl einen öffentlichen Nachbarschafts- und Mitarbeiter:innengarten als auch einen Gartenbereich für und mit den Inhaftierten anzulegen. Im Bereich der sogenannten „Arbeitstherapie“ Garten- und Grünpflege wurden bisher Geranien angezogen. Inzwischen haben die Mitarbeiter:innen und Inhaftierten mit verschiedenem Saatgut experimentiert und eine große Zahl an Jungpflänzchen angezogen, die sie jetzt in den Hochbeeten und mehreren Folientunnel auspflanzen werden. Die Verkostung des eigens produzierten Gemüses gehört dazu.

Die Essbare Stadt Köln gedeiht auch an Orten, die vielleicht nicht immer in unserem Fokus sind. Aber auch diese Orte können wertvolle Beiträge für ein nachhaltiges Köln leisten – und sie haben eine ganz eigene Zielgruppe, die wir normalerweise nie erreichen würden.

Der Name „Klingelpütz“ rührt vom alten Kölner Gefängnis in der Innenstadt in der Nähe der Straße „Am Klingelpütz“ her. Die Kölner Haftanstalt wurde 1969 in den Neubau nach Ossendorf verlegt und der Name zog – zumindest für Ur-Kölner:innen – auch mit um. Im Klingelpützpark am Hansaring ist jetzt u.a. Platz für die Essbare Stadt auf öffentlichen Flächen.

 

 

 

 

Fotos: Ernährungsrat für Köln und Umgebung e.V. // Justizvollzugsanstalt Köln

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