Am 29.09.19 treffen wir Jörn Hamacher vor dem Bürgerzentrum Ehrenfeld, um mit ihm und weiteren 15 Interessierten, das Essbare Ehrenfeld zu erkunden. Unsere erste Entdeckung ist der völlig versteckte Mausergarten, auf dem Gelände der ehem. Mauser Werke. Von der Stadt zur Zwischennutzung überlassen, wird hier in sehr professionellen Hochbeeten gegärtnert, die mit finanzieller Hilfe der Stadt Köln errichtet wurden. Reife Auberginen, Paprika, Mangold und (noch nicht so reife) Tomaten waren eine Augenweide. Spontan hat uns ein Mitglied der Gartengemeinschaft noch ein paar Anekdoten erzählen können. Wer mehr wissen oder mitgärtnern möchte: www.mausergarten.de

Weiter ging es am Spielplatz Thielenstr./Ecke Leyendeckerstr. vorbei, der für viele Nachbar*innen eine recht dunkle und verkommene Ecke ist. Mit hoher Umzäunung und lediglich einer Tischtennisplatte ausgestattet, lädt er nicht gerade zum verweilen ein. Im Zuge des Tags des guten Lebens kam der Wille der Nachbar*innen wieder auf, den Platz in Eigenregie zu gestalten. Aufgrund starker Beschattung und sandigem Untergrund denken sie weniger an Anbau von Obst und Gemüse sondern eher an Insekten und Bienen, zumal es auch zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität beitragen würde.

Auf dem Gelände der Schlössers Gärten laufen wir durch ein großes Areal von Kleingärten, die durch viele „Tore“ gekennzeichnet sind. Dieser Ort ist eher als ehemaliges Schlössers Feld bekannt und Jörn berichtet uns, das hier noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts Obstbaumplantagen standen und an den Subbelrather Hof, der an gleicher Stelle stand, angegliedert waren. ***(Exkurs)

In der Marien-, Platen- und Senefelderstraße entdecken wir Pflanzinseln, die während des Tag des guten Lebens 2019 am 15. September von der Pflanzkarawane, initiiert vom Ausschuss Essbare Stadt des Ernährungsrates Köln, mit Nachbarn bepflanzt wurden. Ausgewählte sog. Baumscheiben wurden mit den Anwohner*innen, die Patenschaften für diese grünen Bauminseln haben, mit essbaren Pflanzen für Tier oder Mensch neu bepflanzt. Das Marieneck z.B. hatte sich Kräuter gewünscht um sie in ihrer ansässigen Kochschule zu verarbeiten. Damit die Pflanzen auch für Menschen dauerhaft genießbar bleiben, ist ein Schutz aus einem einfachen knöchel- bis kniehohem Holzzaun wünschenswert, um den Eintrag von Hundekot oder Beschädigung durch parkende Fahrräder zu vermeiden. In der Senefelderstraße machen wir ein Stopp am Hofladen „Stadt Land Gemüse“, von Jochen Groß, der in Stommeln einen Demeter zertifizierten Hof bewirtschaftet und sein Gemüse in Ehrenfeld verkauft. Hiermit stellt er damit eine neue Beziehung von Stadt und Land und der eigenen regionalen Ernährung her. Zudem ist es möglich Anteile am Betrieb zu erwerben, und damit das Geschäftsmodell zu unterstützen. Website des Hofladens: https://www.stadtlandgemuese.de/

Letztlich beenden wir unsere Rundreise „Essbares Ehrenfeld“ wieder am Bürgerzentrum Ehrenfeld, im Leo-Amman-Park. Dort entsteht gerade der „Grüne Leo“. Ein ganz neuer Gemeinschaftsgarten in Ehrenfeld am Ausgang Christianstr., der vor einigen Wochen mit Hilfe des Vitalisgarten gestartet ist und sich in einem öffentlichen Park befindet. Ein weiterer Schritt im öffentlichen Raum in Gemeinschaft zu gärtnern! Gegärtnert wird hier vorwiegend in Hochbeeten, die aus recycleten Holzpaletten am Tag des guten Lebens gezimmert wurden. Interessant ist, dass diese Fläche dem Ausschuss Essbare Stadt vom Grünflächenamt bzw. der Bezirksregierung Ehrenfeld zur Verwirklichung eines Gemeinschaftsgartens vorgeschlagen wurde. Fee aus dem Gartenteam konnte und Wissenswertes über die aktuelle Situation berichten. Der Garten freut sich über Mitstreiter*innen: gruenerleo@gartenwerkstadt-ehrenfeld.de

Ein wunderbarer und spannender Rundgang im essbaren Ehrenfeld! Auch gut zu sehen welche Spuren der Tag des guten Lebens hinterlassen hat. Es tut sich was in der Essbaren Stadt Köln! Auf das es weiter sprießt und blüht!

Text: Jörn Hamacher/Mildred Utku

Bilder: Mildred Utku

*** Hierzu ein kleiner Exkurs von Jörn: für manche ist der Subbelrather Hof die Keimzelle Ehrenfelds in Vorindustrieller Zeit gewesen; in dem Zusammenhang Verweis auf den Zusammenhang von Industriealisierung und Ernährung in der Stadt: Städte standen seit jeher in einem Spannungsfeld von dichter Besiedlung und Arbeit seinerseits sowie Versorgung und Durchgrünung andererseits. Städte waren immer auf externe Versorgung mit Nahrungsmitteln angewiesen (das gilt heute für ganz Mitteleuropa – unabhängig von Stadt oder Land), dennoch ist es falsch, ein historisches Bild von einer Stadt zu zeichnen, in der nicht auch Nahrungsmittel angebaut bzw. Nutztiere gehalten wurden (z.B. wurden Festungsanlagen (Stadtmauern) in Friedenszeiten als Felder für den Anbau von Obst, Gemüse, besondere Kulturen wie Wein oder die Haltung von Kleintieren genutzt).

Durch die Industriealisierung ergab sich durch den immensen Bevölkerungszuwachs in den Städten und das Wachstum der Städte (Ehrenfeld war zunächst eigenständige Stadt bis es Ende des 19. Jahrhunderts zu Köln eingemeindet wurde) die Notwendigkeit die Menschen gut und günstig mit Nahrungsmittel zu versorgen: die Kleingärten entstanden. Die Arbeiter*innen in den Industrieanlagen konnten sich auf kleinen Parzellen eigenes Gemüse und Obst anbauen sowie in manchen Fällen auch Kleintiere wie Hühner, Kaninchen, Schweine und Ziegen halten. Die Industrieunternehmen stellten den Arbeiter*innen vielfach die Flächen, sahen sie darin doch vielfache Vorteile: der Lohn konnte gering gehalten werden (wer sich sein eigenes Essen anbaut, muss für die Ernährung nichts oder weniger ausgeben, so die Logik), die Arbeiter*innen sind vielfach aus (entlegenen) ländlichen Räumen zugezogen, man sah in den Gärten eine Hilfestellung für die Arbeiter*innen sich an das Leben in der Stadt zu gewöhnen, in dem die landwirtschaftliche Tätigkeit aus der Heimat aufrechterhalten werden konnte; wer gärtnert, hat keine Zeit sich gewerkschaftlich zu organisieren. Aus bürgerlichen Kreisen stammte die Überlegung, dass Gärten und Grün der gesundheitlichen Entwicklung der Menschen, insbesondere Kinder in der Stadt zuträglich sind (Stichwort Schrebergärten!).

Ihren Freizeitcharakter, verbunden mit dem Ruf gewisser Spießigkeit, erhielten Kleingärten erst weit nach dem Zweiten Weltkrieg als kein wirtschaftliche Notwendigkeit mehr bestand Nahrungsmittel selber anzubauen. Kleingärten sind damit wahrscheinlich die ältesten, heute noch bestehende Elemente einer essbaren Stadt. Am Standort von Schlössers Gärten lässt sich die Verbindung von landwirtschaftlichem Charakter der vorindustriellen Zeit (Subbelrather Hof) und der industriellen Überprägung ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Ehrenfeld gut studieren.

Essbare-Stadt